Zum Hauptinhalt springen

Die Leitmedien unter Verdacht: „Lügenkartell“ und „Doppelmoral“

Mehr zu diesen Themenbereichen:
| Andreas Butt-Weise | Medien

 

Der rechte Ruf nach einer der ‚Wahrheit‘ verpflichteten „Gegenöffentlichkeit“

    

 

Einer Infratest-dimap-Studie zufolge „vermuten 42 Prozent der Deutschen in den Leitmedien politische Vorgaben (…), 50 Prozent glauben das nicht. (…) Während im Westen Deutschlands 41 Prozent der Befragten vermuten, dass es Vorgaben von Staat und Regierung gibt, ist es im Osten eine relative Mehrheit von 50 Prozent.“ (Zitat 1) Knapp über 40 Prozent unserer Mitbürger glauben teilweise und 17 Prozent grundsätzlich, dass die Massenmedien, sowohl als Print, Radio und TV, nicht die Wahrheit sagen. Sie gelten vielmehr als „von oben“ gesteuert und daher als manipulativ. Ihre inhaltliche Ausrichtung sei einseitig, gehe es doch prinzipiell um Meinungsmache. Als Beweis für diese ‚Diagnose‘ wird immer wieder das Argument bemüht, Konflikte würden in den Massenmedien nicht „von beiden Seiten“ beleuchtet, weshalb die dort zu Wort kommenden Positionen nur einem bösartigen Konformitätszwang geschuldet seien, den sie wiederum einforderten. (siehe dazu auch: Albrecht Müller: Glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst!). Grundsätzlich gilt in dieser Perspektive alles, was von etablierten Massenmedien und den öffentlich-rechtlichen Medien kommt, als pure „Gehirnwäsche“ (Zitat 2), diese sind auf rechten Plattformen im Internet und auf Demonstrationen grundsätzlich als „Staatsfunk“, „Mainstreammedien“, „Lügenpresse“ verschrien.

Die Kritik an den Mainstream-Medien wird selbst zum Mainstream

Dieses „Medienkartell“  von "FAZ" bis "SZ", von "Welt" bis SPIEGEL und seine Autoren  werden z.B. von Roland Tichy auf „Tichys Einblick“ als "Kaste der Bevormunder", als "Zensoren", die ihr "Meinungsglyphosat" versprühten, damit nichts Unerwünschtes mehr wachse, bezeichnet. (Zitat 3) Sie seien nicht an der Wahrheit interessiert, sondern nur an politischer Korrektheit. Sie wollten ihre Leser ‚erziehen‘, vorschreiben, was gut und böse sei, was in Deutschland gesagt werden dürfe und was nicht.  Mittlerweile zeigt das Einbrechen der Nutzer- und Abonnentenzahlen, dass dieses Misstrauen gegenüber Leitmedien bereits die Mitte der Gesellschaft erreicht hat.

 Reichweite Alternativer Medien

Abbildung 1    Reichweite Alternativer Medien

Als Unwahrheiten deklarierte Veröffentlichungen der Leitmedien dienen als Negativfolie für klare Ablehnung

Die veröffentlichte Meinung wird abgelehnt und stattdessen einer virtuellen „Gegenöffentlichkeit“ gefolgt. Diese „Gegenöffentlichkeit“ bietet die Antworten, die von der „veröffentlichten Meinung“ angeblich unterdrückt werden und daher dort nicht vorkommen. Sie bietet die Antworten, die denen der „Konsumenten“ entsprechen.  Was als „Parteienmüdigkeit“ und mit sinkender Wahlbeteiligung begann und in eine „Demokratiemüdigkeit“ überging, mündet in einer die Leitmedien - die „vierte Gewalt“ - treffende und das gesamte demokratische System ablehnenden Haltung. Von dieser Demokratie und ihren Institutionen wird nichts mehr erwartet.

Nachdem ein Teil unserer Gesellschaft sich sozial entfremdet  fühlt, ist die politische Entfremdung manifest.

Inzwischen existiert eine rechte „Gegenöffentlichkeit“, eine rechte „Anderswelt“, die sich von „Krisenszenario zu Krisenszenario“ hangelt, und das immer gleiche Katastrophenszenario bedient: Deutschland ist bedroht und nur einen Schritt vom Untergang entfernt. Die Gefahren, die hier an die Wand gemalt werden, haben mit unseren realen Problemen wenig bis gar nichts zu tun: es ist nicht die „Umvolkungspolitik“ (PI-News) oder ein „neuer Totalitarismus angesichts der Corona-Politik“ (Rubikon), die uns bedrohen. In den Szenarien der alternativen Medien ist die Bundesrepublik als nicht-souveräner Staat ein fremdgesteuerter Erfüllungsgehilfe der USA. (Zitat 4)

 

web alternative medien 800x 1 

Abbildung 2  Überschneidung von Autoren

Es ist „die Lust an der Katastrophe und an dem rhetorischen Überhitzen“

(Zitat 5),

die die ewig behauptete Spaltung der Gesellschaft nicht behebt,

sondern weiter vorantreibt

 

Das erschreckende und bedrohliche an dieser „Gegenöffentlichkeit“ ist die Tatsache, dass nicht nur `rechtskonservative´ wie Tichys Einblick oder Achtung Reichelt! und rechtsextreme wie das Magazin Compact, sondern auch aus dem linken Spektrum stammende, sich aber nach rechtsaußen geöffnete Medien, wie Nachdenkseiten, Rubikon und der Verlag Westend permanent den Ausnahmezustand beschwören. Ein fast schon unübersichtliches Netzwerk von Internetseiten sorgt für die Delegitimierung von Staat und Politik. Und hier sind besonders die „Grünen“ und ihre Wirtschafts- und Außenpolitik im Schussfeld. Ihre Politik wird entweder als Totalitarismus oder unsere parlamentarische Demokratie als „Fassadendemokratie“ (Zitat 6) verunglimpft.

Die Spitze der Staatskritik – „wir da Unten, ihr da Oben“ –

ist die Behauptung eines „deep states“

 

„Staat im Staate, Schattenstaat oder Tiefer Staat“ bedeutet, dass es „angebliche und illegale oder illegitime Machtstrukturen innerhalb eines Staates“ (Zitat 7) gibt. Damit ist alle Politik, eben auch die bundesrepublikanische, machtlos und fremdgesteuert. Diese Storys, Geschichten und Narrative sind es, die für eine Stimmung in Teilen der Bevölkerung sorgen, die mit Verzweiflung, Zorn und Wut die Beseitigung des Systems einfordert: „Die Regierung muss weg!“.

Diffamierung der unabhängigen Presse als „Regierungspapageien“

Aufgemerkt: In der Ablehnung der veröffentlichten Meinung und der Hinwendung zu rechten „alternativen Medien“, sowie dem Angriff auf Journalisten auf Demonstrationen oder Veranstaltungen der AfD – „Lügenpresse!!!“ – versteckt sich mehr als nur die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Teile der `Wutbürger` konsumieren zwar die etablierten Medien, aber vertrauen ihnen nicht. Das tägliche Kopfschütteln über die Medien, gerade auch bei deren Kritik an AfD-Politikern, erfüllt vielmehr eine Bestätigungsfunktion für die Misstrauischen und Verdrossenen in der Gesellschaft. Der überwiegende Teil dieser Menschen glaubt im Grunde nicht mehr an dieses System, fühlt sich von der Politik allein gelassen. Und dann ist der logische nächste Schritt der, die Demokratie in Frage zu stellen.“ . (Zitat 8)

Der Vertrauensverlust von Teilen der Gesellschaft in die existierenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse hat eine `Fundamentalopposition` herausgebildet, bei denen Narrative von Staatsversagen, korrumpierten Medien und unfähigen Eliten offene Ohren finden. Diese `Fundamentalopposition` wird durch die „patriotische Szenerie“ – wie sie sich selbst versteht – über dieses sich als „Gegenöffentlichkeit“ verstehende Mediennetzwerk auf eine „Schicksalsgemeinschaft“ eingestimmt, die um „Elite, Führung, Gott, Nation, Natur, Ordnung, Rasse und Volksgemeinschaft“ kreist. (Zitat 9)

Das so entstandene rechts-orientierte Mediennetz wird nicht als Ergänzung, sondern als Ersatz für Journalismus verstanden und von der  „Gegenöffentlichkeit“ dankbar angenommen. Ziel der Medienkanäle, wie www.AfD-TV.de, www.nius.de, etc., ist es, das öffentlich-rechtliche Fernsehen eben nicht zu ergänzen, sondern zu ersetzen. Mit Seiten im Internet (wie auf Abbildung 1) wird bei den Neu-Rechten der Schwerpunkt auf die Direktkommunikation mit den Bürgern gelegt. Hierfür bedienen sie sich auch eines massiven Einsatzes von KI. So sind nicht nur Mitglieder der AfD, sondern auch weitere Akteure der neurechtenj Bewegung auf allen relevanten Social-Media-Plattformen vertreten: TikTok, WhatsApp, Telegram, Youtube, etc. Durch Suchmaschinenoptimierung und „giftige“ Kommentare, skandalöse und verrohte Wortwahl „catchen“ sie ihre Anhänger. Angesichts dessen, dass „41 % der 14- bis 29-Jährigen regelmäßig“ TikTok (drittpopulärste Plattform) und „86 % der Deutschen“ WhatsApp nutzen, ist das nicht unbedenklich. (Zitat 10) Denn diese hohen Klickzahlen der Jugend bestätigen die Strategie der Neu-Rechten, bzw. der AFD-Mitglieder, Anhänger über Social-Media-Plattformen erreichen bzw. gewinnen zu können.

„Jedes Tiktok-Video der AfD-Bundestagsfraktion wird im Durchschnitt 435.394 mal aufgerufen“ und das erfolgreichste mit dem Titel: „Diese Politik ist irre“ ist die Rede von Martin Sichert mit 6,6 Mio. Aufrufen (Zitat 11).

Es sind der „“Kampf um die Köpfe“, „Kulturrevolution von rechts“ oder „Metapolitik“, die dem politischen Wandel vorausgehen bzw. ihn begleiten sollen. Es geht um das Brechen der geistigen Hegemonie der „links-grün-versifften Journalisten-Dschihadisten“ und die „Rückeroberung unseres Landes“. Damit erklärt die „Neue Rechte“ den Kampf um die kulturelle Hegemonie im Meinungsdiskurs als politisches Handlungsfeld. (Zitat 12)

Soweit die Strukturen und Inhalte der rechten bzw. „alternativen Medien“

 

Die „Verkaufsstrategie“ ihrer Ideologie ist die der „verfolgten Unschuld“. Meisterlich geriert sich die AfD permanent oder gerade jetzt nach dem „Remigrations“-Skandal als „verfolgte Unschuld“ (siehe Weidel Zitate: „Ungeheuerlicher Medien- und Politikskandal“ - https://www.youtube.com/watch?v=H2R95gXJYfk)

 

Mit dieser Strategie konstruiert die AfD eine Doppelidentität,

sie versteht sich und ihr Umfeld als Opfer und Retter zugleich

Mit der eigenen Opferrolle wird das gemeinsame Feindbild gestärkt. Diese Form der kollektiven Identitätsstiftung, die durch Auftritte der rechten Protagonisten in den „Altmedien“ durch forcierte Skandale angeschoben wird, trägt seine Früchte in der Parallelwelt aus rechten „Alternativmedien“. Der „Kreis der Propaganda 4.0.“ (Zitat 13) schließt sich, indem eine Täter-Opfer-Umkehr inszeniert wird: Wenn ein Skandal von einem AfD-Vertreter in den Leitmedien kritisch kommentiert wird, wird diese Kritik in den Alternativmedien als bösartige Propaganda dargestellt.  Bei allen Themen wird mit dem Gefühl gearbeitet, das es unmöglich sei, frei seine Meinung zu sagen. Durch die „links-grüne“ Hegemonie sei ein „verengter Meinungskorridor“ vorgegeben, der es nötig mache, „es doch noch sagen zu dürfen“, was als „politisch unkorrekt“ „gecancelt“ ist.

 

„Politische Unternehmer“ bedienen gezielt Trigger-Punkte

 

Radikale Rechte und rechte Populisten arbeiten mit „emotionalisierenden, polarisierenden und provozierenden Inhalten“, weil sie wissen, dass „emotionales Denken auch das wertebezogene Denken beinhaltet und Menschen ihre politischen Einstellungen häufig auf Basis ihrer eigenen Wertvorstellungen (…) formen.“ (Zitat 14)

Die AfD ist die Partei, die sich am stärksten über alle möglichen Internetkanäle mit dem Ziel des „Designs einer kollektiven Identität zwischen Partei und Community“ mit ihrer potentiellen Zielgruppe gemein macht. Es ist die kollektive Identität einer „völkisch-nationalistische(n) Kraft“, die für ein „normales Leben“ einsteht. Nur mit diesem positiven Gruppengefühl und dieser hoffnungsvollen Zukunftsperspektive kann der AfD eine nachhaltige Mobilisierung gelingen. (Zitat 15)

„Es ist schlimm. Mit ansehen zu müssen, wie die einst linken Themen wie Verteilungsgerechtigkeit und die Not der kleinen Leute nach rechts abwandern, und mit dem angereicherten Angstrohstoff, der sich aus Abstiegsängsten, Wut und Alltagsfrustration zusammensetzt, zur Bearbeitung in die Hände von politischen Hassadeuren gelangen, die nichts anderes im Sinn haben, als die Geschichte des Humanismus und der Aufklärung zurückzudrehen.“ (Zitat 16)

 

Da es sich - laut Claus Leggewie - bei der AfD leider um keine „Eintagsfliege“ handelt, „muss man (sie) mit heißem Herzen und kalter Vernunft bekämpfen, …“ indem man sie zunächst einmal „politisch ächtet“ und schließlich die „drängenden Zukunftsthemen“ wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte stellt. (Zitat 17)

Kommentar-Email

Schicken Sie uns gerne eine Email mit Ihrer Meinung.